Pressemitteilung: Rückenwind für Frauenmilchbanken in NRW

HAMBURG — 27. August 2021 — Der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landtags Nordrhein-Westfalen (NRW) wird heute die Stellungnahmen von acht Sachverständigen zum Thema „Aufbau von Muttermilchbanken, um die Gesundheit von Frühgeborenen durch nachhaltige Bereitstellung von Spender-Muttermilch sicherzustellen“ hören. Die Fraktion der CDU und die Fraktion der FDP hatten das Thema am 8. Juni 2021 in einem gemeinsamen Antrag in den Landtag eingebracht.

Die deutschlandweit aktive Frauenmilchbank-Initiative begrüßt das Interesse am Thema Frauenmilchbanken im Landtag NRW: „Es ist Aufgabe der Politik, die nötigen Rahmenbedingungen für den Betrieb von Frauenmilchbanken zu schaffen, denn besonders für Frühgeborene kann der Zugang zu Spenderinnenmilch überlebenswichtig sein. Frauenmilchbanken brauchen Rechtssicherheit, unbürokratische Genehmigungsverfahren und finanzielle Unterstützung bei Aufbau und Betrieb.“

Die gemeinnützige Frauenmilchbank-Initiative setzt sich für eine optimale Stillförderung und für weitere Frauenmilchbanken ein, damit in Zukunft alle bedürftigen Früh- und Neugeborenen mit menschlicher Milch ernährt werden können. Zwar hat die Zahl der Frauenmilchbanken in den letzten Jahren in Deutschland deutlich zugenommen, dennoch haben viele Frühgeborene nach wie vor keinen Zugang zu Spenderinnenmilch. Über 200 Kliniken, an denen kleine Frühgeborene behandelt werden, stehen gerade einmal 33 uns bekannte Frauenmilchbanken gegenüber. In NRW gibt es etwa 40 solcher Kliniken, aber nur drei davon haben Frauenmilchbanken (Uniklinikum Essen, Klinikum Dortmund, Klinikum Lippe in Detmold). Im Rahmen des vom Innovationsfonds der Bundesregierung geförderten Projekts NEO-MILK sollen ab 2022 deutschlandweit 12 weitere Milchbanken entstehen; derzeit befinden sich acht Kliniken aus NRW im Auswahlprozess.

In ihrem Antrag vom Juni 2021 stellen die regierenden Fraktionen in NRW fest, dass humane Milch für Frühgeborene überlebenswichtig sein und dabei helfen kann, die Entwicklung kleiner Frühgeborener zu fördern und Komplikationen zu vermeiden. Die Beschlussvorlage sieht vor, die Landesregierung zu beauftragen, den Aufbau von Frauenmilchbanken in NRW zu unterstützen, entsprechende Forschungsprojekte zu begleiten und mit dem Bund über die Finanzierung von Muttermilchbanken im Rahmen der Systeme der Gesetzlichen Krankenversicherung zu verhandeln.

Sachverständige aus den drei bereits bestehenden Frauenmilchbanken in NRW, die allesamt Mitglieder der Frauenmilchbank-Initiative sind, werden dem Gesundheitsausschuss von ihren Erfahrungen beim Aufbau und Betrieb berichten und Empfehlungen aussprechen, die es Kliniken erleichtern, Frauenmilchbanken aufzubauen. Außerdem eingeladen sind Vertreterinnen und Vertreter des wissenschaftlichen Projekts NEO-MILK, des Instituts für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft an der Medizinischen Fakultät der Universität Köln, des Landesverbands der Hebammen NRW, des Instituts für Medizinische Mikrobiologie des Universitätsklinikums der RWTH Aachen, der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Landesvertretung des Verbands der Ersatzkassen. Die schriftlich eingereichten Stellungnahmen sind hier abrufbar. Außerdem kann die Anhörung nach Anmeldung ab 10 Uhr online verfolgt werden. 

 

Hintergrundinformationen:

Mütter, die ihre Kinder stillen, schenken ihnen einen optimalen Start ins Leben. Besonders deutlich profi­tieren Frühgeborene und kranke Neugeborene. Doch wenn die Milch der eigenen Mutter nicht ausreicht, kann Spenderinnenmilch aus einer Frauenmilchbank überlebenswichtig sein. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO), der United Nations Children’s Fund (UNICEF), die Europäische Gesellschaft für Pädiatrische Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährung (ESPGHAN) und die Amerikanische Akademie für Kinderheilkunde (AAP) empfehlen die Ernährung mit Spenderinnenmilch aus Frauenmilch­banken als die beste Alternative, wenn das Kind keine oder nicht ausreichend Muttermilch bekommt.

Frauenmilchbanken sind nicht neu. Als erste Frauenmilchsammelstelle Deutschlands gilt die von der Kinderärztin Marie-Elise Kayser im Jahr 1919 gegründete Sammelstelle im Krankenhaus Magdeburg-Altstadt. Auch in NRW eröffneten in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts Frauenmilchsammelstellen, u.a. in Aachen, Bochum, Düsseldorf, Essen, Krefeld und Recklinghausen. Deutliche Verbesserungen der künstlichen Nahrung für Früh- und Neugeborene und die aggressive Werbung der Industrie führten in der Bundesrepublik jedoch dazu, dass alle Frauenmilchsammelstellen, die nicht nur den Eigenbedarf der Klinik abdeckten, spätestens in den 1970er Jahren schlossen. Dank der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den gesundheitlichen Vorteilen der humanen Milch insbesondere für Frühgeborene beobachten wir aktuell ein Comeback. Weltweit gibt es mittlerweile ca. 750 Frauenmilchbanken.

Die Landtage in Niedersachsen und Schleswig-Holstein waren bisher die einzigen, die Kliniken beim Aufbau von Frauenmilchbanken unterstützt haben. Niedersachsen förderte nach einem Landtagsbeschluss im Dezember 2016 den Aufbau von drei Frauenmilchbanken mit 500.000 EUR; Schleswig-Holstein beschloss im Februar 2021 eine Förderung von insgesamt 300.000 EUR. Die laufenden Kosten müssen Kliniken weiterhin selbst schultern. Die Versorgung Frühgeborener mit gespendeter Muttermilch ist nicht gesondert im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen enthalten und im DRG-Entgeltsystem nicht abbildbar. Dadurch ergeben sich deutliche Mehrkosten für die Kliniken, die durch den Betrieb von Frauenmilchbanken einen wichtigen Beitrag zur Prävention leisten.

 

Kontakt für weitere Informationen und Interviewanfragen:

Anne Sunder-Plaßmann, Geschäftsführerin der Frauenmilchbank-Initiative

E-Mail: a.sunder-plassmann@fmbi.de, Tel.: +49 40 3863 1459, Mob. 0160-97979900


Die Frauenmilchbank-Initiative ist ein bundesweit tätiger gemeinnütziger Verein, in dem sich Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte, Hebammen, Still- und Laktationsberaterinnen und Eltern für eine bessere Verfügbarkeit von menschlicher Spendermilch für Früh- und kranke Neugeborene einsetzen. Der Verein wurde 2018 gegründet und hat mittlerweile über 70 Mitglieder in ganz Deutschland.

 

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