Pressemitteilung: Niedersachsen braucht weitere Frauenmilchbanken

Eingang zum Niedersächsischen Landtag. Bild: Landtag Niedersachsen © Focke Strangmann

Eingang zum Niedersächsischen Landtag. Bild: Landtag Niedersachsen © Focke Strangmann

HAMBURG — 2. Februar 2021 — Dank einer Initiative im Niedersächsischen Landtag aus dem Jahr 2016 gibt es heute drei Frauenmilchbanken in Niedersachsen. Derzeit evaluiert das Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung das Pilotprojekt und der Niedersächsische Landtag wird anschließend entscheiden, ob weitere Kliniken beim Aufbau von Frauenmilchbanken gefördert werden sollen. Die Frauenmilchbank-Initiative (FMBI) ruft Politikerinnen und Politiker in Niedersachsen dazu auf, in einem zweiten Schritt den Aufbau weiterer Frauenmilchbanken zu unterstützen, bestehende zu erweitern und ihren Betrieb nachhaltig sicherzustellen.

Spendermilch aus Frauenmilchbanken kann Leben retten und fördert die Entwicklung Früh- und kranker Neugeborener, deren Mütter ihnen keine oder nicht genügend Milch geben können. Die deutschlandweit aktive FMBI setzt sich dafür ein, dass alle bedürftigen kleinen Patientinnen und Patienten Zugang zu Spendermilch aus einer Frauenmilchbank erhalten.

 
 
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„Für mich war das erst mal schockierend, denn die Milch, die dort verkauft wird, wird überhaupt nicht geprüft und das birgt große gesundheitliche Risiken.“

Immacolata Glosemeyer, Mitglied des Vorstandes der SPD-Landtagsfraktion

 
 

Niedersachsen ist Vorreiter bei der Förderung von Frauenmilchbanken

Vor mehreren Jahren stolperte die SPD-Politikerin Immacolata Glosemeyer über ein Angebot bei Facebook zum Verkauf von Muttermilch und fand bald weitere Angebote. „Ich sah, dass es viele Mütter gab, die wussten, dass Muttermilch das Beste für ihr Kind ist. Da sie selbst keine Milch geben konnten, griffen sie auf diese Angebote zurück. Für mich war das erst mal schockierend, denn die Milch, die dort verkauft wird, wird überhaupt nicht geprüft und das birgt große gesundheitliche Risiken“, berichtet die Abgeordnete des Niedersächsischen Landtags der FMBI.

Um die Situation noch besser zu verstehen, traf sich Frau Glosemeyer mit einer Stillgruppe in Hannover und mit Professor Florian Guthmann, Chefarzt der Neonatologie an der Kinder- und Jugendklinik AUF DER BULT in Hannover und Mitglied der FMBI. Gleichzeitig tauschte sie sich mit anderen Abgeordneten aus und fand schnell Gleichgesinnte, die ihre Besorgnis um den unkontrollierten Handel mit Muttermilch im Internet teilten und sich für ein kontrolliertes Angebot von Spenderinnenmilch an Kliniken einsetzen wollten. Das Angebot sollte sich in erster Linie an Früh- und kranke Neugeborene richten, die ganz besonders von der Ernährung mit menschlicher Milch profitieren.

Im August 2016 reichten die damaligen Koalitionspartner SPD und Bündnis 90/Die Grünen einen gemeinsamen Antrag  zur „Einrichtung einer Muttermilchbank in Niedersachsen“ im Landtag ein. Bereits vier Monate später nahmen alle Landtagsfraktionen den Antrag einstimmig an. Das Land stellte Haushaltsmittel in Höhe von 500.000 EUR zur Verfügung, die es Kliniken in Vechta (St. Marienhospital, September 2018), Hannover (Kinder- und Jugendkrankenhaus AUF DER BULT, März 2019) und Wolfsburg (Klinikum Wolfsburg, Mai 2019) ermöglichten, Frauenmilchbanken zu errichten. Aktuell profitieren in Wolfsburg etwa 50 Kinder pro Jahr von der Frauenmilchspende, in Hannover AUF DER BULT etwa 100.

 
 
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„Die Förderung des Landes Niedersachsen hat die Umsetzung unserer Ideen in die Praxis ermöglicht.“

Prof. Florian Guthmann, Chefarzt der Neonatologie an der Kinder- und Jugendklinik AUF DER BULT, Hannover

 
 

Professor Guthmann, der bereits seit längerer Zeit eine Frauenmilchbank an seiner Klinik aufbauen wollte, schlussfolgert: „Die Förderung des Landes Niedersachsen hat die Umsetzung unserer Ideen in die Praxis ermöglicht.“

Dr. Nele Howold, Neonatologin am Klinikum Wolfsburg und FMBI-Mitglied, erinnert sich: „Dank der Unterstützung des Landes Niedersachsen war es uns möglich, die notwendigen Großgeräte anzuschaffen und die Stadt als Träger des Klinikums von der Finanzierung der laufenden Kosten zu überzeugen. Ohne das Land Niedersachsen gäbe es unsere Frauenmilchbank nicht.“

Christiane Mayer, leitende Oberärztin der Neonatologie am St. Marienhospitals in Vechta, deren Frauenmilchbank ebenfalls in der FMBI vertreten ist,  erklärt: „Durch die Unterstützung des Landes Niedersachsen und der beteiligten Behörden des Landkreises Vechta, konnte die Muttermilchbank erfolgreich im St. Marienhospital etabliert werden.“

Die meisten Perinatalzentren in Niedersachsen haben keine Frauenmilchbank

Wie geht es nun weiter? Frau Glosemeyer berichtet: „Es war ein Pilotprojekt, das evaluiert werden soll. Die Evaluation des Ministeriums wird im Sozialausschuss vorgestellt und dann wird man schauen, ob man politisch noch mal nachsteuern muss. Ob es weitere Bedarfe gibt, muss man sehen.“

 
 
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„Dank der Unterstützung des Landes Niedersachsen war es uns möglich, die notwendigen Großgeräte anzuschaffen und die Stadt als Träger des Klinikums von der Finanzierung der laufenden Kosten zu überzeugen. Ohne das Land Niedersachsen gäbe es unsere Frauenmilchbank nicht.“

Dr. Nele Howold, Neonatologin am Klinikum Wolfsburg

 
 

In Niedersachsen gibt es ca. ein Dutzend Perinatalzentren der höchsten Versorgungsstufe (Level 1), also solche, die auch extrem unreife Frühgeborene und andere besonders vulnerable Patientinnen und Patienten behandeln. Die meisten von ihnen haben keinen Zugang zu Spendermilch aus einer Frauenmilchbank. Die Frauenmilchbanken in Hannover, Vechta und Wolfsburg können die Versorgung der eigenen Patienten sicherstellen, sind aber nicht groß genug, um die anderen Kliniken mit zu versorgen. Die meisten extrem unreifen Frühgeborenen in Niedersachsen werden an Perinatalzentren in Hannover und Oldenburg behandelt.

Die FMBI setzt sich außerdem dafür ein, dass alle Kliniken, die Frauenmilchbanken betreiben, die hohen laufenden Kosten erstattet bekommen. Kliniken erhalten von den Krankenkassen Fallpauschalen für die Behandlung der Frühgeborenen, aber keine gesonderte Vergütung für Spendermilch aus Frauenmilchbanken. Dadurch ergeben sich deutliche Mehrkosten für die Kliniken, die durch den Betrieb von Milchbanken in die Prävention schwerer Erkrankungen investieren.

Frau Glosemeyer ist zuversichtlich, dass der Niedersächsische Landtag eine wichtige Rolle dabei spielen kann, sich für das nachhaltige Funktionieren von Frauenmilchbanken einzusetzen: „Ich kann mir gut vorstellen, dass wir in einem zweiten Schritt schauen, dass die Finanzierung auch langfristig gesichert wird. Natürlich versuchen die Krankenkassen, alle Kosten abzuwenden. Aber nichtsdestotrotz sind sie da auch in der Pflicht und sie müssten erkennen, dass sie Folgekosten [von Komplikationen, die zumeist dann entstehen, wenn Frühgeborene nicht mit menschlicher Milch ernährt werden] einsparen können.“

Hier finden Sie weitere Informationen zur Umsetzung des Landtagsbeschlusses von 2016 und der Förderung dreier Kliniken beim Aufbau von Frauenmilchbanken (Vortrag von Dr. Boris Robbers, Leiter des Referats "Krankenhäuser"
im Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung).

 

Kontakt für weitere Informationen und Interviewanfragen:

Anne Sunder-Plaßmann, Geschäftsführerin der Frauenmilchbank-Initiative
a.sunder-plassmann@fmbi.de, Festnetz: +49 40 3863 1459, Mob. 0160-97979900

Die FMBI ist ein bundesweit tätiger gemeinnütziger Verein, in dem sich Ärztinnen und Ärzte, Pflegefachkräfte, Hebammen, Still- und Laktationsberaterinnen und Eltern für eine bessere Verfügbarkeit von menschlicher Spendermilch für Früh- und kranke Neugeborene einsetzen. Die FMBI wurde 2018 gegründet und hat mittlerweile fast 70 Mitglieder in ganz Deutschland.

 
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